02/07/2024 0 Kommentare
Das Leben ist eindeutig nicht schwarz-weiß: Judy Bailey und Patrick Depuhl begeistern „mittendrin“ in Allendorf
Das Leben ist eindeutig nicht schwarz-weiß: Judy Bailey und Patrick Depuhl begeistern „mittendrin“ in Allendorf
# DigitalesDekanat - Gemeinsam im Dekanat
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Das Leben ist eindeutig nicht schwarz-weiß: Judy Bailey und Patrick Depuhl begeistern „mittendrin“ in Allendorf
„Einfach großartig!“, schwärmt die junge Frau, als Judy Bailey und Patrick Depuhl am Freitagabend nach weit über zwei Stunden voller Musik und feinsinniger Gedanken hinter dem Bühnenbild in der evangelischen Kirche Allendorf (Eder) verschwunden sind. Ähnlich begeistert sind die anderen rund 130 Besucher, die den vom Arbeitsfeld „mittendrin“ des Evangelischen Dekanats Biedenkopf-Gladenbach organisierten „Lieder-Lese-Abend“ unter dem Motto „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“ miterlebt haben.

Nachdenkliche und mitreißende Songs, tiefsinnige und amüsante Texte rund ums bunte Leben abseits des Schwarz-Weiß-Schubladendenkens präsentierten Patrick Depuhl und Judy Bailey am Freitagabend auf Einladung des Evangelischen Dekanats Biedenkopf-Gladenbach in Allendorf. (Foto: Klaus Kordesch/eöa)
Wie bunt und vielfältig das Leben wirklich ist und wie selten das vereinfachende Schwarz-Weiß-Schema im Alltag zutrifft, machte das Künstler-Ehepaar ebenso humorvoll wie ernsthaft anhand unterschiedlichster Beispiele bewusst, viele davon aus den eigenen Biografien entlehnt. Dabei räumten die beiden gründlich, aber zugleich sehr sensibel mit so manchen Vorurteilen und seit Kolonialzeiten über Generationen tradierten und allzuoft von den Nationalsozialisten geprägten Sichtweisen auf. Dazu nutzten Judy Bailey und Patrick Depuhl ihre „Geschichten hinter den Geschichten“, die oft fast lyrisch formuliert immer wieder erst auf den zweiten Blick oder genaueres Hinsehen erkennbare Erkenntnisse zu Tage förderten – wie die, dass der nachträglich auf dem Gemälde in der Wohnung von Tante Elisabeth eingefügte Angler eigentlich dem Zweck diente, ein von einem Bombensplitter gerissenes Loch zu kaschieren.
Ohne dem schwierigen Thema „Schwarz und Weiß“ seine Tiefe zu nehmen, umschifften die beiden geschickt die Nähe zu verbitterten Ideologie- und Rassismusdebatten. „Eigentlich sind wir vielfarbig, denn sonst wären unsere Kinder ja grau“, sinnierte Patrick Depuhl beispielsweise mit einer spielerischen Leichtigkeit, die bezeichnend für den Abend war. „Wer ist farbig in unserer Familie, wenn wir schwarz und weiß sind?“, fragte er und bezeichnete sich als farblich eher „changierend“, also schillernd oder wechselnd zwischen blaß, rot und braun. Changierend agierte auch seine Partnerin, die – ihre markant-eindrucksvolle Stimme mit der Akustikgitarre begleitend – den musikalischen Part mit melodiösen und nachdenklich leisen Songs wie auch mitreißenden Liedern ausfüllte, für die sie das Publikum immer leichter zum Mitklatschen, -singen und Händeschwenken animieren konnte. Schade nur, dass ihre englischsprachigen, aber oft ähnlich tiefgründigen Texte wahrscheinlich wegen der Sprachbarriere nicht immer mit der gleichen Eindrücklichkeit bei den Zuhörern ankamen wie die von Patrick Depuhl vorgetragenen Gedanken.
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Zum Abschluss der ersten Programmhälfte holten Judy Bailey und Patrick Depuhl Konzertbesucher als „Rhythmusfraktion“ auf die Bühne. (Foto: Klaus Kordesch/eöa)
Die aus großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien bestehende Dekoration begleitete die kombinierte Konzert-Lesung, ergänzte Depuhl doch jedes Bild nach je einem Lied-Text-Duo mit einem mehr oder weniger bunten Gegenstand, einer Figur oder einem Farbfoto, das die Geschichte hinter der Geschichte symbolisierte. Mit geschickt gesetzten Lichttupfern perfektionierte die Technik diese Effekte noch und unterstrich so die Botschaften der Songs und Texte, die meist viel Persönliches offenbarten – vor allem, wenn es Patrick Depuhl "echte" Großmutter oder um belastende und berührende Momente mit seinem Vater ging. Dass der Abend trotz aller Tiefe nicht zu inhaltsschwer verlief, ist nicht nur der von optimistischem Glauben geprägten Musik Judy Baileys zu verdanken, sondern auch Depuhls amüsant-anspruchsvollen Gedankenspielereien etwa zur deutschen Sprache, die nicht nur das Schwarz-Weiß-Denken befördert, sondern auch solche schönen Worte wie „mucksmäuschenstill“ oder „mutterseelenallein“ hervorgebracht hat.
Dabei sei noch nicht einmal die Sprache so eindeutig, machte Depuhl bewusst: Der uns unbewusst entfleuchende Schmerzenslaut „Aua“ sei keineswegs international; ebenso wie etwa auf die Tierwelt bezogen der Hahnenruf „Kikeriki“ überall so verstanden und in Menschensprache wiedergegeben werde, erläuterte der Künstler „Ganz nebenbei entzog er noch dem Rassismus seine ideologische Grundlage mit der Feststellung, dass es tatsächlich nur eine menschliche Rasse gebe und 99,9 Prozent der Gene bei allen Menschen gleich seien.
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Die großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien illustrierten die Konzert-Lesung von Patrick Depuhl und Judy Bailey. Die beiden offenbarten im Laufe des Abends immer wieder „die Geschichte hinter den Geschichten“. (Foto: Klaus Kordesch/eöa)
Dass das Leben eindeutig nicht schwarz-weiß ist, konnte nach dem gelungenen Abend als bewiesen gelten, als Judy Bailey und Patrick Depuhl das trotz der fortgeschrittenen Stunde auf mehr hoffende Publikum nach leider nur einer Zugabe verließen. Die Organisatoren Marion Schmidt-Biber und Klaus Grübener, die beim Evangelischen Dekanat Biedenkopf-Gladenbach für das im vergangenen Jahr ins Leben gerufene Arbeitsfeld „mittendrin“ und damit für Angebote für 25- bis 55-Jährige verantwortlich zeichnen, dankten dem Netzwerk für Toleranz des landkreises Waldeck-Frankenberg für die fianzielle Förderung mit Bundesmitteln aus dem Topf "Demokratie leben!".
Die beiden freuten sich nicht nur über den guten Besuch der eigentlich für Ende vergangenen Jahres geplanten und wegen Corona verschobenen Veranstaltung, sondern auch auf die nächsten Termine: Am 3. Mai schon wollen sie im Rahmen eines Workshops mit allen Interessierten online per Zoom gemeinsam über Krieg und Frieden nachdenken, bevor dann am 20. Mai ein musikalischer Ausflug nach Ostafrika als Workshop im Programm steht. Weitere Infos gibt es im Internet unter https://mittendrin.Dekanat-BiG.de. (klk/eöa)
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